Das Geld auf der Anklagebank

Schuldig oder nicht schuldig? Diese Frage musste sich gestern Abend die Zuschauerschaft am Ende einer vierstündigen Gerichtsverhandlung im Tojo Theater stellen. Auf der Anklagebank sass: Das Geld.

Der gebürtige Genfer Christophe Meierhans verhandelt in seiner Produktion Trials of Money die Frage nach der Verantwortung von Geld in unserer heutigen Gesellschaft. Weil Geld ja nun aber nicht eine Person aus Fleisch und Blut ist, wird es in Trials of Money als Semi Human Person bezeichnet und anhand von existierenden Gesetzen auf seine Schuldigkeit hin geprüft. Vorgeworfen werden dem Geld vier Vergehen: Betrug, Erpressung, unterlassene Hilfestellung und Anstachelung zu Hass. Im schmucken Wolken-Bühnenbild werden nacheinander neun Personen in den Zeugenstand gerufen, welche zuerst von der Richterin und aber vor allem auch vom Publikum befragt werden.

Die Zeugen und Zeuginnen: Zwei Banker, ein Obdachloser, Melinda Gates (Bill & Melinda Gates foundation), weiter werden eine Vertreterin des indigenen Stammes der Algonqin, ein Verfechter von Kryptowährungen, ein Ökonome und ein ehemaliges Kibbutz-Mitglied in den Zeugenstand gerufen. Und dann ist da auch noch der Kriminologe und forensische Psychiater, welcher der Menschheit in Bezug auf das Geld ein Stockholm Syndrom attestiert.

Die Grundfrage welche Trials of Money aufwirft, ist von aktueller Relevanz und Brisanz. Wie wollen und sollen wir mit Dingen verfahren, die zwar von Menschen geschaffen wurden, welche aber eine Art Eigenleben entwickelt haben? Wer ist hier in die Verantwortung zu nehmen, wenn etwas schief läuft? In einem Zeitalter, in welchem künstliche Intelligenzen vermehrt eigenständige Entscheidungen treffen, wird uns diese Frage zukünftig ganz bestimmt noch des öfteren beschäftigen. Die Ausgangslage wäre also eine spannende, bloss ist das, was in Trials of Money daraus gemacht wird, dann doch etwas gar trocken. Dem Publikum wird eingangs ein 12-seitiges Dossier abgegeben, in welchem Statements der Anklage und Verteidigung, relevante Gesetzestexte und Kurzbiografien der Zeugen und Zeuginnen aufgelistet sind. Die langfädige Einleitung und die Tatsache, dass von einer Erzählerfigur aus zweiten Hand geschildert wird, was gerade im Gerichtssaal passiert, machen das Szenario zähflüssig. Ausserdem sind die abgegebenen Dokumente in Englischer Sprache aufgrund des Juristen-Jargons nicht ganz ohne und dürften den einen oder anderen Zuschauer davon abhalten, Fragen an die Zeugen zu adressieren.

Andererseits wird durch diese Art der Umsetzung aber natürlich auch eines evident: Die Frage nach der Schuldigkeit von Geld, lässt sich nicht einfach beantworten, sondern ist von grosser Komplexität und Undurchschaubarkeit, zumal wir ja alle in irgendeiner Form mit dem Angeklagten verbandelt sind. Daraus ergibt sich die schizophrene Situation, dass das Publikum sowohl Ankläger und Geschworene, aber auch Mitangeklagte und Verteidiger zugleich ist. Auf jedes Argument folgt ein ebenso schlüssiges Gegenargument. Sie hätten gerne ein Beispiel?

Accusation: Money divides and rules. Money segregates humans. It creates a minority of rich and a majority of poor and uses these two groups against each other. Money manipulates the rich by providing them advantages in order to obtain their collaboration without their knowing.

Defense: Money enables equality. Money itself does not generate injustice. One the contrary. Money enables humans to help each other across their multiple divisions, across continents, borders, cultures and religions.

Stimmt doch beides, nicht? Schuldig oder nicht schuldig? Entscheiden Sie selber.

Für KulturStattBern (21.5.18
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