«Quando Ero Cloclo»

Eigentlich sei er das ganze Leben lang auf der Flucht gewesen, meistens vor der Realität, manchmal auch vor der Polizei. Das sagt der Filmemacher Stefano Knuchel in «Quando ero Cloclo» über seinen Vater. Der gebürtige Tessiner Knuchel erzählt darin seine Familiengeschichte und die hätte ein Schriftsteller mit Vorliebe für Gaunerfiguren nicht besser entwerfen können.

Knuchel nimmt uns mit ins Tessin der 1960er-Jahre, wo Vater und Mutter nicht nur ein Hotel betreiben, sondern auch gleich den eigenen Nachclub, in dem auch mal osteuropäische Stripperinnen mit Bär auftreten. Erzähler Knuchel schlüpft dabei in die Rolle des fünfjährigen Buben, der sich für den Bären mehr interessiert als für die Stripperin und der die rauschenden Feste, die seine Eltern veranstalten, mit grossen Augen bestaunt. Als grosses Abenteuer empfindet er auch die folgenden Jahre der Odyssee. In 20 Jahren zieht die Familie etwa 50 Mal um, was damit zu tun hat, dass der Papa gerne Dinge verhökert, die er nicht besitzt und lieber das Weite sucht, anstatt Miete zu bezahlen. Die Reise führt unter anderem ins Wallis und nach Frankreich, wo der kleine Stefano aus Einsamkeit und aus Mangel an Freunden ganz in die Welt der Musik abtaucht und, sehr zur Freude der Mama, als Claude Francois-Imitator «Cloclo» auftritt.

Die Figur des  Gauner-Vaters bestimmt das Familienleben und ist somit auch in «Quando ero Cloclo» omnipräsent. Knuchel erzählt aber auch die Geschichte seiner Mutter, eine starke Frau, die Laden und Familie schmeisst, als der Vater in Marseille im Gefängnis sitzt und ihren fünf Kindern zumindest ein bisschen Bodenhaftung und Normalität vermittelt. Nicht allen der Geschwistern bekommen Entwurzelung und Heimatlosigkeit gleich gut, so haben Knuchels Brüder zeitlebens mit Suchtproblemen, Vereinsamung und Depression zu kämpfen.

Stefano Knuchel selber scheint glimpflich davon gekommen zu sein. Es ist der vierte Film, welcher der ehemalige Radio- und TSI-Fernsehmoderator mit «Quando ero Cloclo» gedreht hat und es ist ein ausnehmend persönlicher Film geworden, in dem Knuchel nicht einfach nur erzählt, sondern Gefühle mit filmischen Techniken umzusetzen sucht. So reist er an die Stationen seiner Kindheit zurück, alte Archivbilder und Fotos werden mit nachgedrehten Szenen gepaart, wobei auch mal surreale Traumelemente einfliessen. Manchmal ist es gewöhnungsbedürftig, wenn der heute 51-jährig in die Rolle des kleinen Buben schlüpft. Dann wieder sind es genau diese farbenfrohen, kitschigen Magic-Realism-Szenen, die den Film von anderen Familienbiographien abheben. Nebst der unglaublichen Familiengeschichte selber natürlich. «Was ist 395 Jahre alt und hat Alkoholismus, Gefängnis, Drogen, Betrügereien und Depressionen überlebt? Meine Familie!» sagt Knuchel an einer Stelle. Und: «Wir leben noch.»

«Quando ero Cloclo» wird am Montag 25. Juni um 20:30Uhr im Kino Rex in Anwesenheit des Filmemachers Stefano Knuchel gezeigt.
Für KulturStattBern (19.6.2018)