Schnörkellos und wütend

Einem Aussenstehenden zu erklären, warum Sleaford Mods Konzertsäle füllen, ist nicht ganz einfach. Denn nüchtern betrachtet bieten da zwei Herren wenig an gängigem Unterhaltungsmaterial, was sie auch gestern Abend im Case à Chocs in Neuchâtel unter Beweis stellten. Beatproduzent Andrew Fearn platziert auf der Bühne gerne eine Hand in der Hosentasche, derweilen sich die andere an einer Bierdose festhält. Seine einzige musikalische Konzert-Tätigkeit besteht darin, per Knopfdruck den nächsten Song von seinem Laptop abzufeuern. Derweilen bellt Jason Williamson wütende Tiraden in sein Mikrofon, die aber aufgrund seines heavy East-Midland-Akzentes (Sleaford Mods stammen aus Nottingham) kaum verständlich sind. Nein, gängiges Unterhaltungsmaterial ist das nicht, und gerade deswegen ist es grossartig.

Der Elektro-Punk-Lo-Fi-Arbeiterklassen-Rap der Sleaford Mods nahm seinen Anfang vor rund 10 Jahren, als zwei Kerle aufeinandertrafen, welche beide nirgends richtig reinpassen wollten. So beschreibt es Andrew Fearn in A Bunch of Kunst, dem Dokumentarfilm über die Sleaford Mods. (Anschauen!) Mittlerweile haben Sleaford Mods 10 Alben herausgegeben und haben sich mit ihren wütenden, gesellschaftskritischen Schimpftiraden auch ausserhalb des englischen Königreiches eine treue Anhängerschaft erspielt. Auch wenn vielleicht nicht jedes einzelne Wort verständlich sein mag, so fühlt man sich doch angesprochen von den blaffenden Ausführungen des Jason Williamson. Denn hier trägt einer das Herz auf der Zunge, einer der gegen Arbeitslosigkeit und Auswüchse des Kapitalismus wettert und dem die Oberflächlichkeit unserer Konsumgesellschaft keine Befriedigung verschaffen mag. Ehrlich, direkt und fadengrad ist das. Und genau das sind auch die elektronischen Lo-Fi-Beats des Andrew Fearn: funktional, schnörkellos, ein bisschen billig, aber ungemein treibend. Continue reading