Apokalypsenbuben

«Itz mau Apokalypse» fordern die Kummerbuben auf ihrem neuen Album, wobei bei der gestrigen Taufe in der Dampfzentrale die Temperaturen befürchten liessen, dass der Weltuntergang tatsächlich unmittelbar bevorstehe. Als einem auf den Zuschauerrängen der Schweiss über den Rücken in die Unterhose lief, wähnte man sich zwischenzeitlich wahrhaftig auf dem Patrouillenboot des Captain Benjamin Willard im kambodschanischen Dschungel. Im Gegensatz zu Willards Unterfangen in Francis Ford Coppolas oscargekröntem Monumentalstreifen «Apocalypse Now» steuerten die Kummerbuben ihren Kahn gestern aber ohne Verluste ans Ziel. Dies auch dank einem formidablen Kapitän.

«I really care, do you?» fragt Apokalypsenbube Jäggi auf seinem Shirt

Die Rolle des Kapitäns hatte Dirigent Droujelub Yanakiew inne, denn die Herren Kummerbuben standen ja nicht alleine auf der Bühne, sondern zusammen mit dem rund 80-köpfigen Projektorchesters Variaton, mit dem sie «Itz mau Apokalypse» eingespielt haben (das Mutterschiff hat hier ausführlich berichtet). Die sechs neuen Kummerbuben-Songs wurden gestern Abend mit Sinfonien von Gustav Mahler gepaart, also demjenigen österreichischen Komponisten, der am Übergang von der Spätromantik zur Moderne steht. Es zeigte sich, dass Mahlers musikalische Aufarbeitungen von Themen wie Lebenssinn, Tod, Erlösung und Liebe bestens zum abgründigen und morbiden Pathos der Apokalysobuben passt.

Währen die vier Instrumentalisten der Kummerbuben-Mannschaft das Geschehen aus dem Hintergrund bestritten, wurde Kummerbube Jäggi an die Front geschickt, wo er zwischenzeitlich in Begleitung von Mezzosopranistin Stephanie Szanto die Alltagstragödien des kleinen Mannes besang. Dazwischen sassen und standen die Männer und Frauen des Variaton Orchesters mit ihren Geigen, Cellos, Kontrabässen, Fagotten, Querflöten, Posaunen und vielem Anderem und lieferten den perfekten Soundtrack für den musikalischen Weltuntergang. Mal taten sie dies nur mit zarten Xylophon- und bitttersüssen Geigenklängen, dann wieder mit der bombastischen Wucht, welche ein 80-köpfiges sinfonisches Orchester eben zu erzeugen vermag. Das sorgte für schaurig-wohlige Hühnerhautmomente, etwa als die tiefen Streicherklänge dem Song «Anneli, wo bisch geschter gsi» eine unterschwellige Bedrohlichkeit verliehen.

Ein weiterer Höhepunkt: Edgar Varèses «Tuning up» inklusive Sirenengeheul und einem Droujelub Yanakiew der dirigiert, als gälte es die vier apokalyptischen Reiter alleine mit dem Taktstock aufzuhalten. «Ein einzigartiger, vielleicht auch etwas eigenartiger Abend» sei dies heute, bemerkte Kummerbube Jäggi an einer Stelle. Man kann nicht anderes, als ihm beipflichten. Einzigartig, eigenartig und ganz fantastisch.

Das Projektorchesters Variaton und die Kummerbuben sind noch heute Samstag und morgen Sonntag in der Dampfzentrale zu hören.

Für KulturStattBern, 30. Juni 2018