42 Nationen in vier Wohnblöcken

Ein Dorf ist ein Mini-Kosmos sondergleichen, in dem unterschiedlichste Menschen mit den verschiedensten Geschichten, Lebensauffassungen und Anliegen aufeinandertreffen. Im Burgdorfer Quartier Gyrischachen trifft die ganze Welt in gerade mal vier Wohnblöcken aufeinander. 2’500 Menschen aus 42 Nationen wohnen in den Betonklötzen, die etwas abgelegen und durch die Emme von Burgdorf City abgetrennt nur über zwei Zufahrtsstrassen zu erreichen sind. Die einen bezeichnen den Gyrischachen als Paradies, für die anderen ist es ein Ghetto. Die Filmemacherin Sonja Mühlemann hat diese Wohnblock-Welt nun in ihrem Dokumentarfilm «Gyrischachen – von Sünden, Sofas und Cervelats» porträtiert, wofür sie etwa 12 Personen während drei Jahren immer wieder mit der Kamera besucht hat.

Weiterlesen:

Mühlemanns Dokumentarfilm verdeutlicht an ein paar Einzelschicksalen, wie vielschichtig die Bewohnerschaft der Gyrischachen-Blöcke doch ist. Da wäre zum einen der Schweizer Bastler, der sich gerne in seinen Keller zurückzieht und Modellflugzeuge zusammenschraubt, wenn ihm das Temperament seiner brasilianischen Frau zu viel wird. Da ist das Freikirchen-Ehepaar, welches regelmässig einen Kinderclub veranstaltet, beim Missionieren auf Effekte setzt und dafür auch mal auf Pyropapier zurückgreift. Dann ist da ein reflektierter junger Mann, der an MS leidet, seiner Krankheit aber mit bewundernswerter Einstellung trotzt und die Schönheit seines Quartiers mit Fotografien festhalten will. Und alle treffen sie sich beim irakischen Ladenbesitzer, welcher in seinen Regalen Röschti neben Couscous und «Pommes Fritz» neben Kebab Halal liegen hat.

Bei 2500 Menschen aus 42 Nationen ist es klar, dass es zwischenzeitlich auch zu Reibereien kommt. So hält die Dame, welche Kaffeerahmdeckeli sammelt, fest, dass sich bezüglich Parkplatz- und Kehricht-Ordnung natürlich schon einiges verändert habe, seit «die» gekommen seien. Und ein junger Mann mit kurdischen Wurzeln erklärt, wenn Schweizer eine Scheibe einwerfen würden, dann krähe kein Hahn danach, wenn aber Ausländern etwas verbocken würden, dann sei man immer sehr erpicht darauf zu betonen, dass es eben Ausländer gewesen seien und dass diese ausgewiesen gehörten.

Sonja Mühlemanns Dokumentarfilm zeigt ruhig, unaufgeregt und ohne zu werten, wie die 42 Nationen in der Mini-Gyrischachen-Welt mehr oder weniger friedlich nebeneinander leben und welch unterschiedliche Haltungen, Herangehensweisen und Reaktionen es doch gibt, wenn der Mensch mit Unvertrautem konfrontiert wird. Das ist ja in der richtig grossen Welt draussen dann auch nicht anders.

Sonja Mühlemanns Dokuporträt «Gyrischachen – von Sünden, Sofas und Cervelats» wird morgen Samstag 14.5. und am Montag 16.5. jeweils um 10.30 Uhr im Kino Rex gezeigt.