Bürgermeisterliche Euphorie

Die Postrocker von Caspian werden zu Hause wie Helden gefeiert. Zu recht. Denn auf ihrem vierten Album demonstriert die Sechserschaft aus Massachusetts, dass ihr Genre noch nicht dem Tod geweiht ist.

Im grossräumigen Amerika darf Beverly mit seinen 40’000 Einwohnern durchaus als Nest bezeichnet werden. Ein Nest, über welches ein musikvernarrter Bürgermeister wacht. Nicht anders ist zu erklären, mit welcher Euphorie Michael P. Cahill, seines Zeichens Ammann von Beverly, den 18. Oktober 2014 zum offiziellen Caspian-Day ausrief und der gleichnamigen Sechserformation mit offizieller Proklamation überschwänglich zum 10-jährigen Geburtstag gratulierte. Caspian mache fantastische Musik und dass Beverly deren Heimatstadt sei, erfülle die Gemeinschaft des Städtchens nördlich von Boston mit grossem Stolz.Caspian-day
Das öffentliche Sympathiebekenntnis ist insofern doppelt beachtlich, als dass Caspian nicht unbedingt der massentauglichen Spielart von Rock zugetan sind.

Skeptiker haben ihn ja bereits als überholt deklariert, den Postrock, diese Spielweise in welcher klassische Rocksong-Muster negiert werden und dafür oft von einem einzelnen Ton ausgehend imposante Klangungetüme aufgetürmt werden. Der beste Beweis dafür, dass dieses Genre nicht in den letzten Zügen liegt, ist Caspians viertes Album «Dust and Disquiet».
Klar doch, die sechs Herren erfinden den Postrock nicht neu. Auch sie schichten Klangmaterial aufeinander, auch sie führen ein Thema ein, welches erst gebrochen, dann fragmentarisch wieder aufgegriffen wird und auch sie kreieren mit aggressivem Schlagzeugeinsatz, wuchtiger Basslinie und fiebrig flirrenden Gitarren Höhepunkte von epischer Breite. Aber eben nicht nur. Was an «Dust and Disquiet» vor allem überzeugt sind intelligentes Songwriting, die Art und Weise, wie wiederkehrende Motive behandelt, verfremdet und adaptiert werden und die melancholische Schönheit der druckvollen und trotzdem sphärischen Songs. Da lässt sich denn auch die Euphorie eines Michael P. Cahill nachvollziehen.

Caspian, ISC Bern, Donnerstag 19.11., 20:30h
Der Bund, 19.11.15