Schlitzohriger Schalk

In ihrem neuen Programm «Zunder» entzücken Schertenlaib & Jegerlehner mit schräg-poetischen Mundart-Liedern und melancholischem Witz.

Sowohl Fels in der Brandung als auch Klumpenrisiko sei er, sagt Jegerlehner über Bühnenpartner Schertenlaib. Seit 12 Jahren sind Gerhard Tschan und Michel Gsell als musikalisches Kabarettisten-­Duo Schertenlaib & Jegerlehner unterwegs und unterhalten mit liebevoll-skurrilen Liedern und poetisch-melancholischen Gedichten. «Zunder» heisst das neue Programm der Multiinstrumentalisten – und dieser Titel passt insofern bestens zum dritten Bühnenstück der Salzburger-Stier-Preisträger, als dass beide gerne verbal zeuseln.
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Im richtigen Leben seit der Schulzeit befreundet, benehmen sich Schertenlaib & Jegerlehner auf der Bühne wie ein altes Ehepaar. Man liebt und neckt sich, kennt jede Macke des anderen, regt sich auf und ärgert einander absichtlich, um sich zum Schluss dann doch wieder in den Armen zu liegen.

In die Berge und auf die Palme
Da wäre zum einen der ordnungsliebende und organisierte Schertenlaib, der trotz – oder gerade wegen? – Glatzköpfigkeit um die Voluminösität seines Haares besorgt ist, der am Schlagzeug zu sporadischen Temperamentsausbrüchen neigt, phänomenal genervte Seitenblicke Richtung ­Jegerlehner abfeuert und eigentlich nur wegen des Pedalofahrens nach Italien will. Auf der anderen Seite ist da dieser ­Jegerlehner, der über die Aura eines ­italienischen Heiratsschwindlers verfügt und sich stets unausgerüstet auf Wanderungen begibt oder sich gleich mit dem Taxi ins Bergrestaurant auf 700 Meter über Meer chauffieren lässt.

Diese windige Laisser-faire-Haltung bringt einen strukturierten Zeitgenossen wie Schertenlaib natürlich auf die Palme – und wie Michel Gsell diesen Schertenlaib in seiner Enerviertheit nach Worten suchen und Sätze abbrechen lässt, dabei genüsslich Kalauer produziert und fehlendes Artikulations­vermögen mit Körpersprache wettzu­machen sucht, ist ganz wunderbar ­anzuschauen.

Die Herren Schertenlaib & Jegerlehner kommen nebst ihren Instrumenten mit wenig Requisiten aus; trotzdem schaffen sie es, mit ihren berndeutschen Liedern Bilder, ja ganze Filme vor dem inneren Auge zu erzeugen. So sitzt man mit ihnen im roten Ford Escort und begibt sich in der Tiefsaison auf Italien-Odyssee, dann wieder steht man in Buenos Aires in einer kleinen Bar und lauscht einem alten Tango-Sänger oder leidet mit den jungen Helden mit, wenn die Mutter plötzlich auf dem Zeltplatz in Tenero aufkreuzt.

Von wegen «Auti Schlüüch»
Dass das Heraufbeschwören dieser ­Welten so einwandfrei funktioniert, hat vor allem mit der stimmigen klanglichen Umsetzung zu tun: Jegerlehner singt, spielt Akkordeon, tutet und bläst mit Mundharmonika, Tuba, Melodica oder Trompete und bedient auch gerne zwei Instrumente gleichzeitig, derweilen Schertenlaib für die Rhythmus- und Zupf-Sektion zuständig ist, Schlagzeug, Ukulele oder Bass bewirtschaftet und auch mal ein neckisches Tango-Tänzchen aufs Parkett legt. Von Rock, Blues, Ska und Tango über Balkan-Volksmusik bis hin zu Schlager intonieren und paro­dieren die beiden Kabarettisten alles, was die musikalische Genre-Schublade zu bieten hat.

Es sind nicht die grossen Abenteuer, welche Schertenlaib & Jegerlehner in ­ihren Mundartliedern thematisieren, sondern vielmehr der Irrsinn des Alltags und die Tücken menschlichen Zusammen­lebens. Mit viel Liebe zum Detail und bestechender Beobachtungsgabe fabriziert das Kabarettistenduo fabelhaften Witz, aber auch zauberhaft poetische Bilder – etwa wenn Geschichten müde vom ewigen Erzähltwerden auf dem Tisch liegen.

Die vergnüglichen Kalauer verraten dabei die spitzbübische Freude an Lautmalerei und das exakte Beleuchten menschlicher Zwischentöne die sensiblen und feinfühligen Zeitgenossen. Schertenlaib und Jegerlehner sind intellektuelle Komiker mit schlitzohrigem Schalk und entwaffnendem Charme, ganz nebenbei formidable Musiker und haben in ihrer Vielfältigkeit vielen jungen Vertretern des Genres so einiges voraus. Von wegen also «Auti Schlüüch».

Zusatzvorstellungen La Cappella: 29./30. 1. 2016. Restaurant Lokal: 21. 11. www.schertenlaibundjegerlehner.ch (Der Bund, 31.10.15)